Der Frauen Mangel



„Die Weiber seien untertan ihren Männern als dem HERRN. Denn der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde“
(Paulus: Epheserbrief, 5,22-5,23)

„Wir Frauen nehmen nur allzu leicht die Eigenschaften unserer Männer an. Mein erster Mann war Kunsthistoriker – damals war ich sehr gebildet. Mein zweiter Mann war Rennfahrer, und in diesen zwei Monaten habe ich mich nur für Autos interessiert. Ich glaube, wenn ich mich in einen Turner verliebte, ich könnte in drei Tagen die Riesenwelle.“
(Erich Kästner: „Drei Männer im Schnee“)

Wahrscheinlich schreibe ich mich mit diesem Text um Kopf und Kragen – egal, es muss mal raus: Ich bin stinksauer und fasse es nicht!

Jahrzehntelang dachte ich in meiner Naivität, wir hätten, zumindest in unserem relativ burkaarmen Land, die gröbsten Verirrungen des Patriarchats überwunden: Schließlich gab es doch schon Ende der 60-er Jahre die Frauenbewegung – verbunden mit so wunderbaren Errungenschaften wie Pille, Entschärfung des Abtreibungsparagrafen sowie zeitweiligem Verbrennen von Büstenhaltern.

Seit ich beim Tango bin, reift in mir die Erkenntnis: Das scheint es dann aber auch gewesen zu sein.

Dabei kann ich die Schuld nur teilweise der Rückkehr des Tango zu den segensreichen Traditionen des Hispano-Machismo wie dem Cabeceo geben, welcher den Tangueras ja immerhin erlaubt, schmachtende Blicke anstatt einer verbalen Botschaft an den Tänzer ihrer Sehnsucht zu versenden. Das Maul halten und auf eigenständige Tanzaktionen verzichten sollen sie aber schon – originalgetreu den goldenen Zeiten nachgekupfert, wo noch Franco, Hitler, Mussolini und Perón regierten: Der Mann führt…

Leben könnte ich ebenfalls mit meiner inzwischen felsenfesten Überzeugung, dass auch außerhalb des Tangos die Männerwelt noch überwiegend aus Krypto-Machos besteht, die allerdings inzwischen dazugelernt haben: Softheit nach außen ist angesagt. Natürlich haben die Frauen die gleichen Rechte – sie müssen diese nur nicht unbedingt ausüben!

Wer’s nicht glaubt, darf sich als weibliches Wesen gerne mal in eine Männerrunde setzen und staunend beobachten, wie sich die Kerls über ihre schönes Haupt hinweg die Bälle zuspielen. Oder sie sollte als geschiedene, aber nicht alleinerziehende Mutter in der Schule ihrer Kinder anrufen und das freche Verlangen vortragen, ebenfalls (und nicht nur der Papa) über schulische Vorkommnisse informiert zu werden. Nachzulesen da:

Oder, liebe Damen, falls Sie noch (oder erneut) in einer Paarbeziehung leben: Wer kauft ein, kocht, säubert das dreckige Geschirr, bringt den Müll runter? Ja, klar, ich weiß, Ihr Partner mit dem Bonsai-Chromosom hat dazu einfach kein Talent – und er kümmert sich ja dafür um die „großen Dinge“…

Was mich jedoch speziell beim Tango immer noch zur Verzweiflung bringt: Wie Frauen ihr Verhalten ändern, wenn sie (mal wieder) in den Besitz eines anderen, jedoch handelsüblichen Scheichs gewechselt sind. Ich kenne Tangueras, mit denen mir im Schnitt einmal pro Jahr ein Tanz gelingt – in den Zeiten zwischen den Eigentumsübergängen. Da sind sie sehr aufgeschlossen und lassen sich (fast) von jedem auffordern. Wenn sie dann wieder in Begleitung eines entsprechenden Hansels auftauchen, begrabe ich unverzüglich alle Hoffnungen.

Was ist da nur los? Wollen die Damen dem Prinzgemahl freiwillig ihre absolute „Treue“ demonstrieren oder – was ich für wahrscheinlicher halte – dem Gottvater keinen Anlass zur Eifersucht geben? Erfolgt ihr Verzicht auf Fremdtänze gar auf ausdrückliches Geheiß?

Nicht, dass ich wegen dieser Umstände an Tänzerinnenmangel leide – im Gegenteil: Ich mag solche weiblichen Wesen dann auch oft zu Zeiten, wo es möglich wäre, nicht mehr um einen Tanz bitten. Zum Tango gehört für mich Persönlichkeit – und wenn die besser in ein Beduinenzelt als auf eine deutsche Milonga von heute passt, törnt mich dies ab.

Und was soll ich davon halten, wenn ich von etlichen Damen zwar umhalst und geküsst werde, wenn ihr Aufpasser gerade ums Eck ist, ich mich jedoch mit einem Handschlag begnügen darf, sollte der gestrenge Blick des Patriarchen auf uns ruhen?

Ich finde ein solches Verhalten – akademisch formuliert – zum Kotzen. Für mich hängt der Grad von Freundschaft mit einem Menschen nicht von den – offenbar mehr oder weniger kompromittierenden – Umständen ab. Ich stehe zu jemandem, den ich mag, 24 Stunden täglich, rund um die Uhr, komme (oder gehe), wer da wolle.

Noch schlimmer kommt es gelegentlich, wenn die Frau tanzt, der Männe jedoch nicht. Da erlebe ich manchmal wirklich gruselige Geschichten, wie der Spielraum des ungeliebten Hobbys der Frau eingegrenzt wird. Auf der Glocke, welche der Herr Gemahl dann läutet, steht gerne „Familienleben“ eingraviert. In der Folge ist kein Anlass nichtig genug, dem in der Hausfrauenpflicht stehenden Wesen ansatzlos telefonisch den Befehl zur sofortigen Heimkehr zu erteilen.

Wohlgemerkt, da wird nicht irgendwie gefragt, ob es gerade passe oder dringende Gründe entgegenstünden – nein, das Meerschweinchen hat schließlich Durchfall, das duldet keinen Verzug und stellt ein Problem dar, welches von der Restfamilie nicht zu lösen ist. Ich habe in solchen Fällen schon gestandene Ehefrauen im Laufschritt zum Auto spurten sehen…

Sagt‘s mal, liebe Tangofreundinnen, bei denen ich mich gerade irreversibel unbeliebt mache: Seid’s ihr noch zu retten? Ist euch eigentlich nicht klar zu machen, dass es in all diesen Fällen weder um die Diarrhö von Kleinnagern oder gar um die Verhinderung außerehelichen Beischlafs geht, sondern einzig um allein um knallharte Machtausübung, um die Botschaft, ihr solltet euch ja nicht einbilden, euer eigenes Leben gestalten zu dürfen, irgendwann auch mal sagen zu können: Das ist jetzt aber ausschließlich mein Bereich – ebenso wichtig wie dein Stammtisch?

Und es bringt gar nichts, mit Frauen in solchen Situationen zu diskutieren – im Gegenteil: Männer, die ernsthaft mit ihnen argumentieren, sind sie nicht gewöhnt. Eher macht sich dann so etwas wie Geringschätzung breit gegenüber einem, der mehr spricht als Machtworte.

Und ich habe ebenfalls längst aufgegeben, Tangueras als Alternative zum schüchternen Blicke Senden zur direkten Aufforderung zu animieren und den maskulinen Superhelden so die Gelegenheit zum Nachweis zu geben, dass sie wirklich Kerle und keine Waschlappen sind. Stattdessen zieht man sich nach einjährigem Herumsitzen lieber wieder vom Tango zurück und erzeugt so allmählich einen Frauenmangel, der als Ursache Frauenmängel hat!

Das Tragische an der gesamten Misere ist ja, dass ich in 16 Jahren Tango keine Partnerschaft erlebt habe, welche sich durch solche Machtspiele verbessert hätte – meist im Gegenteil. Auch die Frau von Mallebré (Elfie Pertramer) in Kurt Hoffmanns herrlicher Filmkomödie hat mit ihrem eingangs zitierten Gesülze beim jugendlichen Helden (Claus Biederstaedt) keine Chance (obwohl sie ihn sogar verbal zum Tanz auffordert). Deren Unterwürfigkeit geht ihm ersichtlich auf den Zeiger – seine Wahl fällt auf eine andere, ziemlich selbstbewusste junge Dame: Soviel zu den Wunschvorstellungen von Erich Kästner

Und um auch die Theologen zufrieden zu stellen: Ja, ich weiß, dass Paulus im Epheserbrief den Männern auch aufgibt, ihre Frauen zu lieben. Den Grund, mit welchem er dies seinen Geschlechtsgenossen schmackhaft macht, zeugt allerdings von männlicher Durchtriebenheit:

„Also sollen auch die Männer ihre Weiber lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer sein Weib liebt, der liebt sich selbst. Denn niemand hat jemals sein eigen Fleisch gehasst; sondern er nährt es und pflegt es, gleichwie auch der HERR die Gemeinde. Doch auch ihr, ja ein jeglicher habe lieb sein Weib als sich selbst“ (Eph 5,28 / 5,29 / 5,33)

Übersetzung ins Männerdeutsch: „Wenn ihr bei eurer Partnerin einen netten Eindruck macht, kommt es ja nur euch selber zugute. Ansonsten dürft ihr beim Haushalt mithelfen, verstanden?“

Damit es keine Missverständnisse gibt, endet der Vers 33 wie folgt: „…das Weib aber fürchte den Mann.“

Kein Zweifel: Saulus wurde ja erst durch das „Damaskuserlebnis“ zum gläubigen Paulus. Dabei wurden wohl nicht alle seine Charaktereigenschaften repariert – vulgo: Ob gläubig oder nicht – Depp bleibt Depp.

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