Da machen Sie sich kein Bild davon!


„Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ ( § 22 Kunsturheberrechtsgesetz)

Jeder Milongabesucher kennt wohl die Situation, schon kurz nach Betreten der Tanzfläche „abgeschossen“ zu werden: Die Palette reicht von Fotografen, welche dies diskret von ihrem Sitzplatz aus unternehmen, bis hin zu Zeitgenossen, die sich mit ihrer Profi-Videokamera aufs Parkett stellen und mittels Halogenscheinwerfer alles inklusive den Ausschnitten der Tangueras ins rechte Licht rücken. Alsbald darf man dann das so entstandene Bildmaterial auf diversen Webseiten oder in sozialen Netzwerken bewundern.

In einem werten Konkurrenzblog wird anlässlich des „Gastbeitrags“ eines Foto- und Rechtsexperten diese Frage derzeit heiß diskutiert und verschafft so dem Blogger die lange erwarteten Kommentarzahlen. Kein Wunder, trifft das Thema doch das Kerninteresse der Anhänger: Ein Problem auszumachen, wo es um Verbote geht und man sich darüber empören kann, dass mal wieder die eigene juristische Position mit Füßen getreten (bzw. mit dem Zeigefinger abgeknipst) wird. Wie bei bestimmten Themen des Nachbarschaftsrechts (siehe: überhängende Kirschbaumzweige) reizt das Sujet doch entsprechend Disponierte dazu, populistische Gegenmaßnahmen zu fordern (Originalzitat: „Diesen Paparazzies gehört ein Boleo auf die Kamera. Da sollten die Codigos kurz ausser Kraft treten“). Auch in anderen Glaubensgemeinschaften lädt zudem das – vielleicht gar unvorteilhaft dargestellte – Antlitz der Gottheit zu einem „Bildersturm“ ein. Wie spannend!

Nun ist es grundsätzlich in der Tat illegal, eine Person ohne deren Erlaubnis abzulichten, wenn man das entstandene Bildmaterial veröffentlicht. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen:
· bei Personen der Zeitgeschichte (Sollte beispielsweise Nicole Nau einmal auf Ihrer Dorfmilonga erscheinen: sofort draufhalten!)
·   wenn Personen nur als Beiwerk in der Landschaft stehen (könnte allenfalls auf „Mauerblümchen“ zutreffen).
·    Bildnisse, bei denen der Kunstfreiheit ein höheres Gewicht als dem Persönlichkeitsschutz zugebilligt wird (beim Tango kaum denkbar)
·    Fotos bei Versammlungen, Demonstrationen, Sportveranstaltungen etc., bei denen wegen der aktuellen Berichterstattung die Anwesenheit der Medien zu erwarten ist (zumindest bei Traditionsmilongas unvorstellbar)
·   bei Fahndungsfotos (den Kalauer verkneife ich mir jetzt…)

Allenfalls könnte es demnach noch durchgehen, mit dem Weitwinkelobjektiv eine volle Milonga in der Totale abzulichten – sobald jedoch eine Person eindeutig identifizierbar ist, muss vorher deren Genehmigung, auch zur Art der Veröffentlichung, eingeholt werden. Wenn Sie also dem Knipser (und sich selber) gründlich den Abend verderben wollen, so lassen Sie sich dessen Personalien geben und bestehen – gerne auch per Anwalt – auf Löschung sowie Abgabe einer Unterlassungserklärung. Möglicherweise bezahlt die Person mit dem nervösen Zeigefinger dann Ihre Rechtsvertretung, den Prozess, nach bereits erfolgter werbewirksamer Veröffentlichung Lizenzgebühren – und strafbar ist das Ganze auch noch. Da kann so ein Foto locker einen dreistelligen Eurobetrag kosten. Viel Vergnügen!
Sinnvoller wäre es dann wohl, der Veranstalter würde das Problem über sein Hausrecht lösen: Die Spanne der Optionen reicht von einem generellen Fotografier- und Filmverbot bis zum Hinweis, die Besucher erklärten sich per Zahlung des Eintritts damit einverstanden, dass Bilder von ihnen gemacht und veröffentlicht würden. Auch eine räumlich und zeitlich begrenzte Erlaubnis wäre denkbar: Jeder wüsste dann, wann und wo er aus dem Bereich der Linse wäre.

Meine eigene Haltung zu der Knipserei ist ziemlich entspannt: Sie nervt mich zwar, aber im Schnitt weniger als eine „Canaro-Rummelplatz-Walzer-Tanda“. Sicherlich würde ich es mir verbitten, wenn jemand mich unerlaubt beim Umgraben meines Gartens ablichten würde (wobei ich neugierig wäre, wofür er damit werben möchte). Außer Haus jedoch fühle ich mich in der „Öffentlichkeit“ und strebe daher eine gekämmte Frisur, ein ordentliches Outfit und einen geschlossenen Hosenlatz an (und auch für das weibliche Geschlecht gibt es meines Wissens kleidungsmäßige Optionen gegen die Ausleuchtung des Dekolletés). Weiterhin weiß meine Frau, sollte ich einmal allein zum Tango gehen, wo ich bin und mit wem ich tanze. Und sollte ich dabei mal wieder ein blödes Gesicht machen, weil sich mein Geist mittels Tangomeditation ins Körperinnere verzogen hat, bleibt mir ein Trost: Ich darf mich ja auch an ähnlichen Grimassen der anderen ergötzen…

Ein Rechtsanwalt hat die an solchen juristischen Finessen interessierte Fraktion einmal als „GUs“ bezeichnet: „gelangweilt und unzufrieden“. Ich würde mir für den Tango wünschen, diese Population kehrte wieder zu ihrem angestammten Bereich der Party-Dezibel-Messungen und Hundegebell-Frequenz-Protokolle zurück!

Anekdote: In meiner Referendarzeit hörte ich einmal von einem – wohl nicht allzu beliebten – Lehrerkollegen, der Abiturjahrgang sei ihm gegenüber unziemlich aufgetreten: Man habe auf seinem Fußabstreifer an der Wohnungstür (juristisch zurückhaltend formuliert) seine Notdurft verrichtet, diese mit Zeitungspapier abgedeckt, selbiges angezündet und schließlich geläutet. Der an die Tür eilende Hausherr gab in der Folge dem Begriff „austreten“ eine etwas variierte Bedeutung… Erzürnt wandte sich der Geschädigte an den Anwalt seines Vertrauens, schilderte die abscheuliche Tat und begehrte zu wissen, was man da „rechtlich unternehmen“ könne. Des Juristen Auskunft: „Warten Sie sechs Monate, und wenn bis dahin den Scheiß keiner abgeholt hat, gehört er Ihnen!“

Kommentare

  1. Wenn der Wahnsinn erst einmal galoppiert... Nunmehr ist man auf besagtem Blog auf eine Spitzen-Idee gekommen: Wer nicht fotografiert werden will, soll sich melden. Und wie merkt man sich diese Personen? Festhalten, jetzt kommt's: Man macht ein Foto von ihnen. Bumtä, bumtä, Narhallamarsch!

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