Zehn Tipps für Tänzerinnen, die nicht von mir aufgefordert werden wollen



Liebe Tangueras,

ich bitte um Verständnis, dass ich manchmal etwas verunsichert bin:

Einerseits höre ich öfters Klagen von weiblicher Seite, ständig nur herumzusitzen, ohne aufgefordert zu werden. Wenn ich manche von euch jedoch auf den Milongas beobachte, so gewinne ich den Eindruck, nichts läge euch ferner als tanzen zu wollen.

Aber bitte, jeder nach ihren Wünschen! Daher nun einige Ratschläge, wie ihr Tanzeinladungen von mir ziemlich sicher entgehen könnt:

1.    Stürzt euch nach dem Betreten des Tanzsaals sofort auf die besten Freundinnen, um mit diesen den neuesten Tangotratsch auszutauschen! Um eure Tangoschuhe könnt ihr euch noch kümmern, falls euch jemand auffordern sollte. Da man sich bei lauter Musik schlecht verständigen kann, zieht euch am besten in eine ferne Ecke mit dem Rücken zum Parkett zurück. Welches Stück gespielt wird, werdet ihr ja dann mitbekommen, wenn euch jemand zum Tanz bittet. Nur nichts übereilen!

2.    Bringt von vornherein Stimmung in die Bude – depressive Tangos sind eh nicht euer Fall! Fröhlichkeit ist ansteckend, also signalisiert dem Rest der Besucher durch lautes Kichern und Kreischen, dass ihr euch bestens amüsiert. Die Rolle der Musik wird sowieso überschätzt, außerdem kann der DJ ja bei Bedarf lauter drehen.

3.    An einem Platz länger zu verharren, wirkt langweilig und uninteressant – zudem seid ihr mit euren Tangogeschichten und Kochrezepten bei weitem nicht durch. Also begebt euch auf Wanderschaft! Vergesst niemals, ganz lange am Tresen des „Auflegers“ zu verweilen, der sitzt ja die ganze Zeit unbeschäftigt herum und freut sich bestimmt über eine kleine Ansprache – und man kann so seine Stellung in der Szene betonen. Aufs Klo rennt ihr am besten während der Cortina, da herrscht eh viel Unruhe – und sollte jemand unbedingt mit euch tanzen wollen, kann er es ja später versuchen!

4.    Außen um die Tanzfläche herumzugehen zeugt von Schüchternheit und mangelndem Selbstvertrauen. Also nichts wie ab durch die Mitte, am besten bepackt mit einer Weinflasche und vier Gläsern, um den Tanzenden die Dringlichkeit des Ortswechsels zu demonstrieren! Diese freuen sich sicher über die Gelegenheit, durch einen plötzlichen Stopp oder einen rasanten Richtungswechsel eine Kollision zu verhindern: Tango ist schließlich ein reiner Improvisationstanz.

5.    Unbeschäftigt herumzusitzen ist ein typisches Kennzeichen von Mauerblümchen! Sollten sich zeitweilig weder Tanz- noch Gesprächspartner finden, holt euer Handy oder Smartphone heraus, lest die neuen E-Mails oder loggt euch in euer Single-Chatforum ein. Vielleicht gelingt auf den letzten Drücker noch die Bewhatsappung eines guten Tänzers! Vergesst auch nicht, den Rufton eurer Sozial-Prothese laut genug einzustellen – schließlich müsst ihr trotz des Krachs rundum auf jeden Fall erreichbar sein!

6.    Konzentriert euch lediglich auf den einen Wunschtänzer, wegen dem ihr erschienen seid! Sollte der gar keine Notiz von euch nehmen, geht zum Angriff über – selbst ist die Frau! Starrt dem Objekt der Begierde minutenlang ein Loch in die Stirn („Mi-Radar“) oder, noch besser, setzt euch auf den freien Platz neben ihm und textet ihn so lange zu, bis dem Armen nichts anderes übrig bleibt, als euch aufs Parkett zu bitten. Sollte er anschließend nach zwei Tänzen das Weite suchen: Er ist halt sehr schüchtern – also vergesst auf der nächsten Milonga nicht, den Kontakt zu intensivieren!

7.    Wenn ihr noch Anfängerin seid, so teilt dies eurem Tanzpartner unbedingt vor den ersten Schritten mit, auch wenn er schon sehr lange zum Tango geht. Sicherlich hat er euch vorher nicht auf dem Parkett beobachtet und so euer Bewegungsmuster übersehen. Daher ist er dankbar für eine solche Warnung! Vergesst ebenfalls nicht, ihn sofort zu informieren, wenn euch ein Schritt unbekannt vorkommt oder ihr das Gleichgewicht verliert. Worte sind einfach klarer als die Bewegungssprache! Bei Unsicherheiten dürft ihr gerne auf den Soundtrack von Zeichentrickfilmen zurückgreifen – das wirkt lustig und originell. Zeigt euer modisches Interesse auch durch Bekleidungstipps für den Mann („Schwitzt du nicht in diesem Pulli?“).

8.    Das Auge tanzt mit! Eure neuen Glitzi-Glänzi-Stilettos und der kürzlich erworbene Tanzboutiquen-Fummel mögen die Balance verringern und per Einhaken der Absätze in den Maschenvolant das Sturzrisiko erhöhen, aber euer Tänzer freut sich sicherlich auf die Gelegenheit, euch in seinen starken Armen auffangen zu können und so seine Souveränität zu beweisen! Außerdem ist die Selektion beim Tango gnadenlos: Frauen werden stets nach ihrem Aussehen gewählt, nicht nach ihren tänzerischen Fähigkeiten.

9.    Kümmert euch nicht um die Musik! Diese umzusetzen ist Sache des Tanzpartners. Der ungefähre Rhythmus sollte euch reichen, die Schrittfolgen so herunterzumarschieren, wie ihr das im Tangokurs durch die Zählweise des Lehrers gelernt habt. Pausen, Verzögerungen oder plötzliche Impulse erzeugen nur Verwirrung! Vergesst auch nicht, nach einem Schritt sofort auf den nächsten Fuß zu fallen, damit ihr das Gleichgewicht halten könnt – im Zweifelsfall stellt euch lieber auf beide Füße zugleich. Besucht daher ausschließlich Milongas mit „tanzbarer Musik“, welche solche Schwierigkeiten erst gar nicht aufkommen lässt!

10. Körperbeherrschung, Fitness oder gar sportliches Training sind beim Tango vollkommen überflüssig. Wie euer Tangolehrer so richtig sagt, muss man bei diesem Tanz lediglich gehen können – und das beherrscht ihr ja schon seit einigen Jahrzehnten. Biophysik respektive das Verhältnis von Körpermasse zu Muskulatur sind etwas für Leistungssportler und somit kein Thema auf dem Parkett! Zudem tanzt ihr ja hervorragend, falls ein Tanguero euch gut führt. Sollte es also auf einer Milonga nicht so toll laufen, liegt das nur an den Männern, die entweder schlecht oder gar nicht mit euch tanzen. Und schließlich ist ja bekannt, dass die Typen am liebsten junge, schlanke Dinger wählen, möglichst mit kurzem Rock und tiefem Ausschnitt. Die Welt ist eben ungerecht!

Und vor allem:

Tangotänzer mögen keine selbstständigen Frauen! Auf einen Tanguero zuzugehen und ihn einfach um einen Tanz zu bitten, ist ein grober Fauxpas und führt zur sofortigen Exkommunikation in der Szene! Wenn ihr lange genug herumsitzt und flehentlich blickt, zeigt ihr die erwartete devote Haltung.

Irgendwann wird sich schon ein Kerl eurer erbarmen!

Kommentare

  1. Weil ich mich hier demokratisch mit einer freien, wenn auch deutlichen Meinung wohl fühle:

    tango.ar@2014 Spätestens……..

    Posted on September 6, 2014 by geotraunkirchen
    …………..wenn sie in gelben Warnwesten mit der Aufschrift EdO-Police auf den Milongas auftauchen, sollten wir aus dem Tango Nuevo einen self-defense-Tango entwickeln.

    Zeigt ihnen keine Ausweise, laßt Euch auf der Tanzfläche von den mahnenden Brüdern und Schwestern nicht umzingeln, nehmt das Eintrittsgeld nicht zurück und -wie unser Dr. Kurt Ostbahn alias Ostbahn Kurti aus Wien immer sagt: “Laßt`s Eich nix gfall`n!”.

    ….und glaubt`s eana nix:

    Im Tango-Codex stünde angeblich:

    Keine Boleos

    Keine Ganchos

    Kein Bühnentango

    Nur die enge Haltung

    Nur Blinzeln und Nicken beim Auffordern

    ganz wurscht

    wia schlecht des Liacht is`

    Hauptsach ihr kriagts`s koan Korb

    jedenfalls koan verbalen

    und den andern siagt neamd

    schön einordnen

    mit Männer-Blinzeln

    a la Cassiel

    keinen Schritt zurück

    die Spur halten

    in Prozession schreiten

    und auf keinen Fall TANZEN……

    Peter Baumgartner

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    1. Ich tanze nun seit bald fünfzig Jahren und habe in dieser Zeit auf dem Parkett alle (un)möglichen Abartigkeiten erlebt – eines jedoch bisher nicht: Dass man den Betreffenden verboten hätte, so zu tanzen, wie sie es offenbar persönlich als gut empfinden. Sollte diese Zeit nun zu Ende gehen, macht mich das richtig wütend. Ja, wo sammer denn?

      Wenn es irgendwelchen Verbohrten nach einer Bewegung ausnahmslos gemäß ihrer engstirnigen Auslegung der „Tango-Scharia“ verlangt, so dürfen Sie dies gerne auf privaten Treffen ausleben. Der liebe Gott hat einen großen Tiergarten.

      Sollte man allerdings zu öffentlichen (und dann hoffentlich auch der GEMA gemeldeten) Veranstaltungen einladen, interessiert mich das persönliche Tangoverständnis des Veranstalters einen feuchten Kehricht. Und so lange meine Boleos in der Luft enden und nicht an seinem Jochbein, hat’s ihn allerdings ebenso wenig zu kümmern!

      Einer freundlichen Rückerstattung des Eintrittsgelds würde ich dann nicht näher treten, da muss er mir schon ein Hausverbot erteilen. Dagegen kann ich dann zivilrechtlich vorgehen – und zwar sicherlich nicht heimlich, sondern unheimlich öffentlich!

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  2. Lieber Gerhard, Hallo Leute. Für mich eine Aussage, eine Hoffnung, ein Wunder, eine Liebe auf den ersten Ton und Blick!!! "AMORES TANGOS", zum Beispiel: www.youtube.com/watch?v=z0N-u_UGf74&list=PLuirqXijDj-8ndI5D5B33liZKCtvWb5Z4

    Aber wahrscheinlich ist der eindrucksvolle Sänger völlig auf dem Holzweg: Schlagzeug, junge Musiker (nicht einbalsamiert aus der EdO), völlig ohne die großartige Musikalität der EdO-Musiker, Frage: warum spielen die überhaupt, warum verbringen sie ihr Leben mit Tango-Musik, wenn sie doch nur schlechter als früher sein können???

    Grüße
    Peter

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    1. Lieber Peter,
      wie Du siehst, habe ich die Musik gleich auf mein Blog gestellt.
      Grandios - und vor allem anrührend, wie problemlos hier verschiedene Generationen gemeinsam Tango gestalten.
      Herzlichen Dank für den Tipp!
      Gerhard

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  3. Vielem kann ich zustimmen, aber zum Glück sind die Auffassungen etwas unterschiedlich, sonst würden alle dieselben Damen auffordern wollen.

    Meine Tips und Kommentare hier:
    http://www.tanzmitmir.net/tanzpartner-boerse/viewtopic.php?t=6557
    mit link zu diesen klugen Empfehlungen: http://www.salsacrazy.com/guideforwomen.htm

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  4. PS: Name des vorigen Kommentars: Joa Falken

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    1. Besten Dank für das englische Original!

      Viele Tipps sind verblüffend simpel und originell. Da der Autor wohl Salsatänzer ist, kann man nicht alles (siehe Cabeceo) auf den Tango übertragen.

      Vielleicht schreibe ich einmal einen Artikel zu diesem Text.

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